Daß PaulChen den TierarztIn nicht mag, war mir bekannt. Den Tragekorb demzufolge auch nicht. Aber daß sie mich so täuschen kann und dann gewissermaßen raketengleich aus dem Stand ungeahnte Kräfte entwickeln kann, war mir nicht mehr so ganz präsent.- Ich kam mir ziemlich clever vor, den Korb heimlich in ihre Nähe zu schaffen, alles vorzubereiten + sie dann überfallartig zu packen und hineinzustopfen. Sie ließ das alles ohne Geschrei über sich ergehen, zeigte sich auch bei der Ärztin von der besten Seite, ließ geduldig ihre Lippe untersuchen + sich wieder in die Transportkiste verfrachten …

Es war dann zweifellos mein Kardinalfehler, Portemonnaie, Lektüre (für das Wartezimmer!) + Autoschlüssel mit in die Kiste zu packen – ich habe halt gerne eine Hand frei, um Türen zu öffnen, die Hosen hochzuziehen (ja, ich habe in letzter Zeit ein wenig abgespeckt … ach nein … nicht der Rede wert … ja? Fällt das auf?) usw. – Somit mußte ich am Wagen die Kiste einen Spalt weit öffnen, um den Schlüssel herauszufischen – WOW! Wie ein Blitz schoß sie heraus + rannte auf die Straße, direkt auf ein Auto zu … dann sah ich sie noch zwischen zwei Häusern verschwinden … MIST!!! Malheur á la KackE!!! Der Super-GAU! Was nun?

Zunächst einmal die angrenzenden Häuser nebst Hinterhöfen abklappern … die Leute sind erstaunlich freundlich + hilfsbereit. Fast alle haben selbst Katzen. Ergebnis: Null! Ich fahre nach Hause. Mir ist schlecht. Sie schafft das nie nach Hause: über die B 51, über die Bahnanlagen – dafür ist sie einfach zu doof (bei aller Liebe). WILLIE würde das schaffen; PaulChen nie! Sie hat ja bereits zu viel Angst, vor die Haustür zu gehen … Nach ausgedehntem Mittagsschlaf drucke ich erst einmal Fahndungsplakate aus und beglücke damit die Arztpraxis sowie die Briefkästen in unmittelbarer Nähe der Stelle, wo sie abgehaun ist. Von ihr selbst keine Spur. Anschließend Maria angemailt; arbeitet natürlich mal wieder! Margret kommt zum Tanzkurs, vorher + nachher suchen wir noch ein bischen. Keine Spur. Aber ich meine sie jaulen zu hören – kann aber auch ein Irrtum sein. Margret meint, ich müßte nachts suchen, wenn mehr Ruhe auf der Straße ist … zwischenzeitlich nehme ich Kontakt mit zwei netten Anwohnerinnen auf. Ein Mann guckt ziemlich mißtrauisch … Gegen fünf fahre ich nochmals hin: keine Spur von PaulChen. So langsam krieg ich Panik, versuche, sie mit Rufen herbeizulocken … Ich scheuche mit meinen Lockrufen den mißtrauischen und – ich kann + will es nicht verhehlen, weil es allein die reine Wahrheit ist – ziemlich ausländisch aussehenden Mann vom Abend auf; das Licht geht an, er mault ein wenig rum – kann ich gut verstehen. Was der jetzt wohl denkt? Frauentechnisch gesehen ticken die ja wohl ein bischen anders als unsereiner … Ich verziehe mich vorsichtshalber aus seinem Garten. Ist PaulChen vielleicht unterwegs nach Hause? Katzen sollen ja so einen phänomenalen Ortssinn haben … aber wie kommt sie über die B 51 + die Bahn?

Sehr schlecht geschlafen. Zwischendurch nachgedacht, was ich noch alles unternehmen muß: Tierheim, WochenSpiegel, Internet (auf die Weise habe ich mal WILLIE wiedergefunden! Und zwar nach 5 Minuten!!! Da gabs noch wkw mit seinen Regionalseiten!), weitere Briefkästen usw. Aber ich muß hier auch schamhaft gestehen, daß ich mich in ersten Ansätzen ernsthafter mit der Möglichkeit befaßte, daß PaulChen auf Dauer verschwunden bliebe … mit Sicherheit würde sie mit ihrem durchdringenden Geheul irgendwo eine mitleidige Seele auftun, die ihr ein Dach über dem Kopf + dreimal täglich ein Döschen spendieren würde, dazu den regelmäßigen Arztbesuch … WILLIE wäre eh nicht böse, ich wäre nicht mehr so gebunden, da müßte nur noch … JA! Ich SCHÄME MICH! NIE NIE WIEDER werde ich solche Gedanken … Auch wenn ich immer schon gegen Denkverbote war: hier sind sie …

Der nächste Morgen ist trübe. Maria ruft an: Was is denn eigentlich los??? Komm mal heute abend zum Essen + dann gehen wir PaulChen suchen … Auja! Mittags noch ein paar Zettel gedruckt, Briefkästen abgeklappert + schon wieder die Erfahrung gemacht, daß die Leute sehr freundlich + hilfsbereit sind, sogar im Altersheim. Nach dem Essen bei Maria (wohlschmeckend! ich hatte selbst gekocht: Muscheln! Hmmm!) hatte ich die nötige Bettschwere; Ach komm!!! Maria appelliert an mein Gewissen als Katzenhalter: das arme Tier, hungrig und verfroren und überdies auch noch mutterseelenallein! Also fahren wir zum Ärztehaus und – sofort beim Aussteigen hört Maria sie, und ich dann irgendwann auch (ein alter Knallschaden aus vergangenen Zeiten). Indem wir pausenlos mit ihr reden (und dabei die Nachbarschaft wieder munter machen; wiederum sehr hilfsbereit: ulkigerweise haben DIE aba garnix gehört – oder reagiert PaulChen auf das Geräusch meines Wagens?) lokalisieren wir sie recht schnell; und als ich mich auf den Boden lege, entdecke ich sie auch: zwischen dem Gebüsch sitzt sie auf auf einem Steinsockel, gut getarnt …

An dieser Stelle könnte ich eigentlich abbrechen – sollte man meinen. Leider fing der Abend an dieser Stelle erst so richtig an. Denn PaulChen dachte gar nicht daran, sich von uns einfangen zu lassen … ich erspare uns die Einzelheiten: drei Stunden nachts auf der Nordallee mit zwischenzeitlichem Hin+Her nach Hause zwecks Futterholen zwecks Anlocken usw. sind nicht unbedingt unterhaltsam. Zwischenzeitlich holte Maria dann eine Decke von zuhause: das längere Sitzen auf der Bordsteinkante ist für die älteren Herrschaften mit den sattsam bekannten Unterleibsproblemen nicht unbedingt bekömmlich, zumal die Temperaturen in diesen Tagen bereits heftig kühl werden – um nicht mehr zu sagen: es war ARSCHKALT! Natürlich nicht für PaulChen: denn die sauste pausenlos in kleineren und größeren Kampfkurven um uns herum … irgendwann kam ich dann auf die kluge Idee, den Pkw heranzufahren, die Seitentür zu öffnen + den gefüllten Freßnapf auf den Beifahrersitz zu stellen … und das wars dann. Gegen halbvier kippte ich in mein Bett; PaulChen sauste im Haus herum als wer nie was gewesen; WILLIE guckte etwas indigniert zur Seite (vermutlich hatte er sich schon gefreut …).

Zwischenzeitlich macht PaulChen wieder business as usual: wenn sie nicht gerade schläft oder sich an WILLIE ranschmeißt, schlitzt sie die Müllsäcke auf oder sitzt stundenlang meditierend vor dem Klavier – nein: nicht deshalb, weil sie auf einmal ihr Herz für die Musik entdeckt hätte, sondern vermutlich deshalb, weil da die Maus drunter sitzt, die ich bereits vor Tagen im Haus gesichtet hatte. Nun, sie dürfte in ihrer derzeitigen Lage Probleme bekommen, eine Lebensversicherung abzuschließen … die MAUS meine ich natürlich! Nicht PaulChen …